Montag, 2. August 2010

Sexy und emanzipert?

«Wir machen uns schön für uns selbst», sagen viele junge Frauen von heute. Oder sind sie doch nur fremdbestimmt von einem Schönheitsideal, das andere ihnen vorsetzen?

Als Destiny Hope Cyrus am 23. November 1992 im US-amerikanischen Nashville zur Welt kommt, wird die Modewelt gerade beherrscht von abgestandenen Jeansmodellen. Kurt Cobain ächzt verächtlich «Smells Like Teen Spirit» aus einem ausgezehrten Körper in sein Mikrofon. Mit Kate Moss etabliert sich der Heroin-Chic auf den Laufstegen der Modewelt. Grunge – im Deutschen: Schmutz – ist keine den Neunzigerjahren entsprungene Bewegung, aber hier erreicht sie vorläufig ihren Zenit. Von all dem bekommt die kleine Destiny in der Hauptstadt des US-Bundesstaates Tennessee nicht viel mit: Ihr Vater singt Country, ihre Patentante heißt Dolly Parton – beide sind strikt konservativ, Destiny Hope Cyrus wächst wohlbehütet auf.

Kinderstar in Strapsen
2010 steht Destiny, wie «Nirvana» in den frühen Neunzigerjahren, selbst unter Beobachtung von Sittenwächtern, in deren Augen sie sich anstößig verhält. Destiny heißt inzwischen Miley und ist ein gefeierter Jungstar. Seit ihrem Durchbruch als Titelfigur der Disney-Serie «Hannah Montana», galt Miley Cyrus dem amerikanischen Mittelstand als ideale Jugendliche: sauber, christlich, angepasst. Dann tauchen erste Selbstporträts in Unterwäsche im Internet auf. Die ehemals kreuzbrave Actrice wird nun als Popstar inszeniert – trällert leicht bekleidet Zeilen wie «Ich kann mich nicht unterwerfen». Amerikanische Eltern bekunden daraufhin schnell Sorge um das Image der Siebzehnjährigen – sehen ihre von Hannah Montana begeisterten Kinder in Gefahr.

Soweit nichts Neues aus dem Geschäft mit den Nachwuchsstars: Derlei Wandlungen sind typisch für die westliche Popkultur und wurden etliche Male durchexerziert, wie Ende der Neunzigerjahre schon von Britney Spears. Dahinter verbirgt sich ein einfaches Schema: «Sieh! Mich! An!» – den Motiven der Pornografie folgend und mittlerweile soweit zugespitzt, dass es selbstverständlich ist, wenn eine minderjährige Miley Cyrus in Strapsen ihre Songs zum Besten gibt.

Alles kreist ums Aussehen
Wenn Kultur meint, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten – was bedeuten solche Popstars als Leitfiguren dann für das Selbstbewusstsein junger Frauen von heute?

Schon mit 12, 13 Jahren begännen die Gedanken von Mädchen um ihr Aussehen zu kreisen, schreibt Helmut Fend, emeritierter Professor für Psychologie in Zürich, in seinem 2005 erschienenen Buch «Entwicklungspsychologie des Jugendalters». Mädchen seien mit Eintritt in die Pubertät häufiger unzufrieden mit ihrem Körper als Jungen. Sich einem Schönheitsideal zu unterwerfen, weisen junge Frauen in der Regel trotzdem von sich. Einer Studie der Zeitschrift «Brigitte» zufolge, die vor zwei Jahren veröffentlicht wurde, antworteten 80 Prozent der Frauen auf die Frage, warum sie sich schön machen, sie täten das für sich selbst. Noch in den fünfziger Jahren bekundeten 80 Prozent der Frauen, sie machten sich für den Partner schön.

Rolle rückwärts
Im 21. Jahrhundert also die Rolle rückwärts – oder trägt Miley Cyrus selbstbestimmt Strapse in der Öffentlichkeit, um auf ihre Frauenrechte aufmerksam zu machen? Susanne Klingner, Autorin von «Wir Alphamädchen, warum Feminismus das Leben schöner macht» sieht das anders: «Viele junge Frauen denken, sie lebten doch schon selbstbestimmt und bräuchten keinen Feminismus mehr. Aber wenn man genauer hinguckt, hakt es an Punkten, die der Feminismus schon lange bearbeitet.» Mädchen und Frauen stünden stärker als in den vergangenen Jahrzenten in einer Situation, die hochgradig von Widersprüchen bestimmt sei. Für Frauen ergäben sich neue Chancen, sich nach eigenen Vorstellungen herzurichten, aber auch neue Zwänge. «Gutes Aussehen avanciert zum Statussymbol», so Klingner in einem Interview mit der «Tageszeitung». Als Frau bekäme man auch heute noch viel mehr Anerkennung für das Aussehen als für den Beruf.

Quelle: http://www.fnp.de/

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